1. Der ersatzlose Abriss eines Gebäudes ist keine wirtschaftliche Verwertung im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB2. Eine zu diesem Zweck ausgesprochene Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter ist daher in den neuen Bundesländern nicht durch Artikel 232 § 2 Abs. 2 EGBGB ausgeschlossen.
BGH, Urteil vom 24.03.04 – VIII ZR 188/03 – in GE 2004, 611 und NZM 2004, 377
Sachverhalt: Die Streitwohnung befand sich in einem Plattenbau mit 176 WE eines nicht sanierten Gebäudes in Jena. Dort war zwischen 1995 bis 2000 die Einwohnerzahl in diesem Stadtteil um 38 % gesunken und es zu einem Leerstand von etwa 4000 WE gekommen. Das Gebäude wurde durch die Vermieterin – mit anderen Mietern überwiegend einvernehmlich – entmietet. Nachdem der Beklagten des Ausgangsverfahrens erfolglos zahlreiche andere Wohnungen und eine Abstandszahlung von 20.000 EUR angeboten worden war, sprach die Vermieterin die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung aus und machte geltend, allein der Unterhalt des Gebäudes koste sie jährlich 77.172,62 EUR, denen lediglich die Miete der Beklagten des Ausgangsverfahrens in Höhe von 3.719,16 EUR jährlich gegenüber stehe. Der Räumungsklage wurde in beiden Instanzen stattgegeben. Die Revision der Mieterin hatte keinen Erfolg.
Problemlage: Der BGH stellt zunächst klar, dass die sogenannte „Abrisskündigung“ nicht durch die Überleitungsvorschriften in Artikel 232 § 2 II EGBGB ausgeschlossen ist. Es handele sich nicht um eine wirtschaftliche Verwertung im Sinne der Kündigungsschutzvorschriften. Verwertung läge nur dann vor, wenn der dem Gebäude innewohnende materielle Wert realisiert wird, insbesondere bei Vermietung und/oder Veräußerung.
Der entgegen stehenden Meinung in der Literatur (Sternel in WuM 2003, 243 u.a.) schließt sich der BGH ausdrücklich nicht an. Eine weite Auslegung der Schutzvorschrift sei nicht angezeigt, zumal erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen den nicht zeitig beschränkten Ausschluss des Kündigungsrechtes bestehen.
Verfahrenstechnisch war der Rechtsstreit in der Revisionsinstanz nicht durch die zwischenzeitlich erfolgte Räumung erledigt. Denn die Erfüllung des Räumungsanspruches kann nach Auffassung des BGH auf Grund eines nur vorläufig vollstreckbaren Titels (noch) nicht eintreten.
Bewertung: Dem Sachverhalt ist zu entnehmen, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens sehr sorgfältig die zur Kündigung wegen notwendigem Abriss berechtigenden sonstigen Umstände vorgetragen hatte. Die Entscheidung des BGH schafft Rechtsklarheit insbesondere auf die in den neuen Bundesländern (und wahrscheinlich auch innerhalb der nächsten zehn Jahre in Berlin) drängende Frage der Zulässigkeit einer Abrisskündigung.