- Kündigt der Vermieter ein Wohnraummietverhältnis wegen erheblicher Zahlungsrückstände gemäß §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB wegen Zahlungsverzug des Mieters fristlos und hilfsweise auch fristgemäß, lässt der nachträgliche Ausgleich der Rückstände innerhalb der Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zwar die fristlose Kündigung unwirksam werden, nicht dagegen auch ohne Weiteres die fristgemäße Kündigung.
- Die nachträgliche Zahlung ist jedoch bei der Prüfung, ob der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB), zu berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 16.02.2005 – VIII ZR 6/04 – in NZM 2005, 334 und WuM 2005, 250
Sachverhalt: Der Mieter hatte Mietzinsrückstände in Höhe von zwei kompletten Monatsmieten, für einen weiteren Monat in Höhe von 0,88 €. Darauf kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis fristlos und hilfsweise (vorsorglich) fristgemäß. Nach Zustellung der Räumungsklage hatte zunächst der Mieter, danach für ihn im Übrigen das Sozialamt die Mietzinsrückstände vollständig übernommen. Die Zahlungsansprüche waren dadurch erledigt. Die Vermieterin machte jetzt nur noch Herausgabe der Mietwohnung zum Ablauf der längeren Kündigungsfrist gemäß der fristgemäßen Kündigung geltend. Amtsgericht und Landgericht wiesen die Klage ab. Auf die Revision wurden die Urteile aufgehoben und der Prozess zur erneuten Verhandlung und Aufklärung des Sachverhaltes an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Problemlage: Der Mieter kann eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges mit mehr als zwei Monatsmieten oder erheblichen Teilbeträgen durch vollständigen Ausgleich der Mietzinsrückstände innerhalb der sogenannten Schonfrist unwirksam machen. In vielen Fällen bestehen jedoch Anhaltspunkte dafür, dass der Mieter auch nach einer derartigen fristlosen Kündigung und vollständigem Ausgleich der Zahlungsrückstände seinen Zahlungsverpflichtungen in Zukunft nicht vollständig nachkommen wird. In derartigen Fällen und zur Sicherheit auch ganz allgemein ist es daher angezeigt, dem Mieter hilfsweise eine fristgemäße Kündigung wegen der Zahlungsrückstände auszusprechen. Fraglich dabei war immer, in welchem Konkurrenzverhältnis die fristgemäße Kündigung zur fristlosen Kündigung steht.
Der BGH stellt klar, dass die fristgemäße Kündigung auch hilfsweise zur fristlosen Kündigung und vor allem auch wegen derselben Mietzinsrückstände möglich ist. Der Vermieter kann also wegen exakt derselben Mietzinsrückstände sowohl fristlos als auch fristgerecht kündigen!
Gegenüber der fristgemäßen Kündigung nutzt dem Mieter der vollständige Ausgleich des Mietkontos nichts. Allerdings ist im Zusammenhang mit einer fristgemäßen Kündigung auch immer das Verschulden des Mieters bezüglich der Zahlungsrückstände zu prüfen. Es kommt also zum Beispiel auch in dem vom BGH entschiedenen Fall darauf an, ob der Mieter schuldlos in Zahlungsrückstand gekommen ist (zum Beispiel weil die Bearbeitung seines bereits eingereichten Leistungsantrages beim Jobcenter nicht fristgerecht erfolgte oder weil Unterlagen beim Jobcenter verloren gingen oder aus anderen nicht unmittelbar durch den Mieter zu vertretenden Gründen). Mit solchen Einwendungen zum fehlenden Verschulden kann der Mieter auch in derartigen Fällen die fristgemäße Kündigung abwenden. In der Praxis beruhen jedoch derartige Kündigungen vielfach auf der schlichten „Schlampigkeit“ des Mieters. Diese hat der Mieter unter Verschuldensgesichtspunkten zu vertreten, weshalb in derartigen Fällen die fristgemäße Kündigung durchgreift.
Praxistipp: Bei erheblichen Unregelmäßigkeiten im Zahlungsverhalten (mehr als zwei fehlende Monatsmieten oder erhebliche Mietzinsrückstände aus mehreren Monaten, die den Betrag von zwei Monatsmieten erreichen) sollte dem Mieter grundsätzlich fristlos und hilfsweise fristgerecht gekündigt werden.
Kann der Mieter sich gegenüber der fristgemäßen Kündigung ausreichend entschuldigen und das Mietkonto innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage und/oder Zustellung der fristlosen Kündigung vollständig ausgleichen, wird die Kündigung gegenstandslos. Aber auch immer nur dann. Durch die hilfsweise fristgemäße Kündigung vermeidet man, dass Mieter mit mangelhafter Zahlungsmoral sich auf der einmal durch Zahlung abgewendeten Kündigung „ausruhen“ und wenige Monate später dasselbe Spiel noch einmal losgeht.