Kürzungsrecht bei nicht kostendeckenden Vorauszahlungen?

Frage: Kann der Mieter nach der ersten Nebenkostenabrechnung die Nachzahlung (oder den Saldo) kürzen, weil die im Mietvertrag vereinbarten Vorauszahlungen zu niedrig waren? Es handelt sich um einen Neubau mit Erstbezug.

Antwort: Nein, allein aus dem Umstand, dass die bei Abschluss des Mietvertrages vereinbarten Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen nicht kostendeckend sind, kann der Mieter keine Ansprüche herleiten. Insbesondere ist dies kein Grund dafür, den Saldo aus der folgenden Abrechnung zu kürzen.

Die Vereinbarung zu hoher oder zu niedrig angesetzter Vorauszahlungen führt nicht zur formellen Unwirksamkeit einer Betriebskostenabrechnung (BGH, Urteil vom 18.05.2011 -VIII ZR 240/10- in WuM 2011, 420; Leitsatz zu 2). Der BGH hat bereits 2004 entschieden, dass selbst die deutliche Überschreitung der durch die Höhe der Vorauszahlungen vorgegebenen Kosten keine Pflichtverletzung des Vermieters darstellt (BGH, Urteil vom 11.02.2004 -VIII ZR 195/03- in WuM 2004, 201 mit weiteren Nachweisen).

Im vorliegenden Fall (Neubau Erstbezug) sind besondere Umstände oder gar ein Verschulden des Vermieters für zu niedrig angesetzte Vorauszahlungen nicht ersichtlich aus folgenden Gründen:

a) es handelt sich um Neubau Erstbezug, so dass nur Erfahrungswerte aus anderen Objekten herangezogen werden können.
b) der Vermieter hatte/hat keine konkreten Erfahrungswerte für die voraussichtliche anfallenden Kosten insbesondere in den Bereichen Grundsteuer, Straßenreinigung.
c) die Höhe der anfallenden Kosten ist in erheblichem Umfang auch vom Nutzerverhalten abhängig, welches sich zwar bei langjährig vermieteten Objekten, nicht aber bei Neuvermietung einschätzen lässt.

Nicht zuletzt ist es ganz überwiegende (und nach meiner Meinung auch systematisch richtige-) Ansicht, dass der Mieter selbst bei einer vorsätzlichen und pflichtwidrigen Täuschung des Mieters über die Höhe der voraussichtlich anfallenden Nebenkosten nur ein außerordentliches Kündigungsrecht hat (Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht 10. Auflage § 556 BGB RN 389). An einer solchen Pflichtverletzung fehlt es jedoch ganz offensichtlich in solchen Fällen, wo dem Vermieter die Höhe der voraussichtlich anfallenden Nebenkosten bei Vertragsabschluss nicht bekannt war.

Rechtsanwalt Alexander Ziemann, 28.09.2012