Die sehr unübersichtlichen Regelungen über Verbraucherverträge sehen in den §§ 312 ff. BGB Sonderregelungen für verschiedene Verbraucherverträge, unter anderem per Post mit dem (gewerblichen) Vermieter geschlossene Verträge vor. Nach § 346 ff. BGB könnte in derartigen Fällen ein Widerrufsrecht des Mieters bestehen. Man kennt das aus Fernabsatzverträgen, beispielsweise beim Kauf über das Internet. Der Mieter kann dann seine auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Erklärung (oder eventuell auch die Zustimmung zu einem Erhöhungsverlangen) widerrufen. Hierzu erhalte ich häufiger Anfragen von Vermietern und Hausverwaltungen. Die Klienten wollen wissen, ob sie in ihren Mietvertragsformularen und Mieterhöhungsverlangen den Vertragspartner über das Widerrufsrecht belehren müssen und wenn ja, wie das geschehen soll.
Die ideale Lösung gibt es hierbei nach meiner Einschätzung derzeit nicht. Die Klienten müssen die (nach meiner Meinung in den meisten Fällen überschaubaren-) wirtschaftlichen Risiken abwägen gegen den erheblichen Aufwand, die bei einer Umstellung der Formulare auf die Verbraucherschutzvorschriften entstehen würde. Zudem besteht die Gefahr, dass Mietvertragsformulare in die Welt gesetzt werden, welche die Mieter besser stellen als die gesetzliche Regelung es tut:
Nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung, insbesondere auch der Entscheidung des LG Berlin ist vorbehaltlich einer noch ausstehenden Entscheidung des BGH zu diesem Problem mit der derzeit wohl überwiegenden Meinung und Rechtsprechung davon auszugehen, dass jedenfalls Wohnraum-Mietverhältnisse von der Anwendung der Regelungen über Verbraucherverträge, die außerhalb der Geschäftsräume des Vermieters geschlossen werden (§ 312 G BGB) ausgeschlossen sind. Hierfür spricht schon die Begründung des Gesetzestextes; es handelt sich um ein peinliches, aber doch offensichtliches redaktionelles Versehen des Gesetzgebers.
Die Gegenansicht beruft sich u.a. darauf, dass der Gesetzgeber dann eine entsprechende Ausnahme vorgesehen hätte. Vor allem auch für Seminaranbieter und juristische Verlage sind solche Streitereien um komplizierte Formvorschriften natürlich ein gefundenes Fressen. Die Unsicherheit in der Wohnungswirtschaft ist groß – man will natürlich keinen Fehler machen.
Selbst wenn man von einer Anwendbarkeit der Vorschriften ausgehen würde müsste ich dennoch meinen Klienten derzeit davon abraten, die sehr umfangreichen Hinweise und Belehrungen nach diesen Vorschriften in Mieterhöhungsverlangen und Formularmietverträge einzufügen.
Hierfür sind im wesentlichen folgende Überlegungen maßgeblich:
- Die Regelungen über den Widerruf von Verbraucherverträgen sind außerordentlich unübersichtlich und nicht auf Wohnraum-Mietverhältnisse zugeschnitten. Durch die strengen Formanforderungen für die Belehrung über das Widerrufsrecht und den Umstand, dass zusätzlich zur Belehrung immer noch ein besonderes Muster für den Widerruf gemäß Anlage 1 und Anlage 2 zu Art. 246 A § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB erforderlich ist, muss sowohl drucktechnisch als auch formulartechnisch ein sehr hoher Aufwand für die formgültige Belehrung über das Widerrufsrecht betrieben werden. Erforderlich sind in jedem Fall einmal eine vollständige und formgültige Belehrung nach dem gesetzlich vorgeschriebenen Muster und andererseits ein separates Widerrufsformular, dass beweisbar dem Mieter zu gehen muss. Hierdurch werden Mieterhöhungsverlangen und Mietverträge sehr umfangreich.
- Jeder auch noch so kleine Verstoß gegen die umfänglichen Formvorschriften der gesetzlichen Regelung macht die Belehrung über das Widerrufsrecht unwirksam und damit nichtig; der Vermieter wird dann so gestellt, als sei überhaupt keine Belehrung über das Widerrufsrecht erfolgt. Dies gilt auch dann, wenn der Zugang der Belehrung beim Mieter nicht beweisbar ist.
- In wirtschaftlich bedeutsamen Fällen kann die Anwendbarkeit der Regelungen über den Widerruf von Verbraucherverträgen faktisch dadurch ausgeschlossen werden, dass diese (nämlich die Mietverträge) in den Geschäftsräumen des Vermieters geschlossen und nicht per Post verschickt werden.
- Wenn sich nach der in Kürze kommenden obergerichtlichen Rechtsprechung insbesondere des BGH herausstellen sollte, dass die Regelungen über den Widerruf von Verbraucherverträgen im Mietrecht nicht anwendbar sind (womit wie eingangs gesagt zu rechnen ist), dann schafft der Vermieter durch die sozusagen vorauseilend erfolgte Verwendung von Mietverträgen und Mieterhöhungsverlangen mit einem ausdrücklich gewährten Widerrufsrecht eine besonders komfortable und nicht interessengerechte Position für den Mieter. Denn der Mieter ist in derartigen Fällen so zu stellen, als sei das Widerrufsrecht wirksam vereinbart worden. Dies gilt selbst dann, wenn das Widerrufsrecht nach den gesetzlichen Regelungen nicht zwingend ist. Dem Mieter wird demnach in dem wahrscheinlichen Fall, dass die gesetzlichen Regelungen über den Widerruf sich überhaupt nicht auf Mietverhältnis beziehen deutlich besser gestellt als andere Mieter, bei denen entsprechend ergänzte Formulare nicht verwendet worden sind.
- Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass ein Widerrufsrecht des Mieters in derartigen Fällen besteht oder wenn dies durch die obergerichtliche Rechtsprechung bestätigt wird sind die Folgen eines fehlenden formwirksamen Hinweises auf das Widerrufsrecht letztlich wirtschaftlich gesehen für den Vermieter uninteressant: In den meisten Fällen werden die Vertragsparteien nach der gesetzlichen Regelung so gestellt, als wäre das Vertragsverhältnis für den Zeitraum der tatsächlich erfolgten Erfüllung bestandskräftig gewesen. Da beim Mietverhältnis die empfangenen Leistungen jedenfalls insoweit nicht zurück zu gewähren sind, wie sie durch den Mieter in Anspruch genommen wurden beschränkt sich das Risiko des Vermieters in derartigen Fällen meist darauf, dass der Mieter das Vertragsverhältnis mit kurzer Frist beendet. Jedoch ist der Mieter für den Zeitraum der Nutzung verpflichtet, zumindest die ortsübliche Miete zu entrichten. Schäden an der Mietsache oder Verschlechterungen der Mietsache sind dem Vermieter zu ersetzen, soweit sie nicht durch den üblichen Gebrauch entstanden sind. Bei der Vertragsänderung durch Zustimmung auf ein Mieterhöhungsverlangen gehe ich davon aus, dass die obergerichtliche Rechtsprechung ein Widerrufsrecht nach den Vorschriften über Verbraucherverträge wegen der sehr speziellen Regelungen für Erhöhungsverlangen in den § § 558 ff. BGB nicht annehmen wird. Hier ist davon auszugehen, dass die gesetzlichen Regelungen über das Erhöhungsverlangen abschließende Verfahrensvorschriften enthalten, die im Hinblick auf die Regelungen zur Zustimmungsfrist und Klagefrist den allgemeinen Vorschriften über Verbraucherverträge vorgehen. Zudem wäre nach der Entscheidung des LG Berlin und wohl zutreffender Ansicht der Mieter in derartigen Fällen verpflichtet, den Vermieter so zu behandeln, als wäre ein Widerruf der Zustimmungserklärung nicht erfolgt.
- Die rechtssichere Gestaltung und Verwendung von Formularen mit Berücksichtigung des Widerrufsrechts ist mit sehr erheblichem Beratungsaufwand verbunden, da sämtliche einschlägigen Formulare des Vermieters entsprechend zu prüfen und auf die gesetzlichen Anforderungen anzupassen sind. Da es sich wegen der an mehreren Stellen erforderlichen individuellen Anpassung um individualisierte Formulare handelt ist dies mit einem hohen Arbeitsaufwand und entsprechend hohen Kosten verbunden. Diese stehen meines Erachtens nicht in einem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu den Risiken eines Widerrufs von Willenserklärungen durch den Mieter nach Verbraucherrecht. Aber dies muss letztlich jeder Vermieter für sich selbst entscheiden.
Ich kann daher in aller Regel Vermieter und Hausverwaltungen nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung aus den genannten Gründen nicht empfehlen, entsprechende Widerrufsbelehrungen im täglichen Geschäftsverkehr zu verwenden. Jedoch muss jeder Verwalter oder Vermieter dies für seine individuellen Anforderungen selbst abwägen. Sollte sich hieran durch die in Kürze zu erwartende Rechtsprechung des BGH zu diesem Problem etwas ändern, können die im täglichen Geschäftsverkehr verwendeten Formulare immer noch angepasst werden.